Auswirkungen von Narben – ein Gedankenexperiment

Wie kann ich mir die Auswirkungen von inneren Narben und Verklebungen nun vorstellen?

Machen wir ein Gedankenexperiment:

Stellen wir uns ein Tuch vor, dass gleichmäßig aufgespannt wir. Die Züge und Spannungen verteilen sich gleichmäßig auf alle beteiligten Strukturen. Das sind einerseits das Tuch und andererseits die Verstrebungen oder Befestigungspunkte des Tuches.

Was passiert nun, wenn man einen Knoten an einem beliebigen Teil des Tuches hineinknüpft? Was passiert mit der Spannung im Tuch? Wo wird sie mehr, wo wird sie weniger? Was passiert mit der verknoteten Stelle? Welche Auswirkungen hat der Knoten auf das Umfeld?

Möglicherweise nimmt die Spannung im Tuch zu und die Befestigungspunkte müssen mehr Spannung aushalten. Das kann bedeuten, dass sie es einfach aushalten, weil sie genügend Gegenspannung erzeugen können. Das kann bedeuten, dass sie sich biegen, weil sie elastischer sind als gedacht. Es kann auch bedeuten, dass sie brechen, weil sie für eine solche Spannungszunahme nicht gemacht sind.

In jedem Fall muss es zu einer Umverteilung von Spannung kommen. Gehen wir davon aus, dass der Knoten richtig fest ist. Unbeweglich. Abhängig von den Materialeigenschaften des Tuches und der Befestigungspole, wird sich das ganze System verfestigen, das Tuch spannen, reißen, die Pole sich biegen oder brechen. In jedem Fall steigt die Spannung im ganzen System und muss sich neu ausbalancieren, anpassen und verändern.

Legen wir dieses Bild auf den Körper um, dann müssen wir ihn zusätzlich um dynamische Prozesse erweitern. Ersetzen wir zuerst den Knoten durch eine Narbe. Diese Narbe entspricht einem Ruhepol, einem Punktum fixum, der an Flexibilität eingebüßt hat und diese durch die Verklebungen durch Starre ersetzt wurde. Die durch die Verklebungen auftretenden Spannungen werden an die umliegenden Strukturen weitergeleitet, die sich dementsprechend anpassen und adaptieren: das heisst, sie erhöhen die Spannung, richten sich entlang der Kraftlinien der Narbe neu aus, die Beweglichkeit wird auch im umgebenden Gewebe reduziert, was auf Dauer gesehen mit weiteren Verklebungen innerhalb dieser Gewebestrukturen Hand in Hand geht. Gleichzeitig wird der Körper versuchen die auftretenden Kräfte bestmöglich zu verteilen, um weiterhin eine optimale Beweglichkeit und Funktionalität der Körperstrukturen und Organe zu gewährleisten.

Wenn wir uns nun bewegen wollen, werden die Kräfte wie immer durch den ganzen Körper geleitet. Wollen wir nun z.B. einen Teil des Körpers bewegen, der nahe der Narbe bzw. des Knotens platziert ist, wird mir dies durch die Starre der Verklebungen schwerer fallen und mehr muskuläre Kräfte und Spannungen werden aktiviert, um die gewünschte Bewegung durchzuführen, als wenn der Knoten nicht existent wäre. Anfangs kann diese zusätzliche Kraftanstrengung so gering sein, dass sie kaum auffällt. Auf Dauer kann es dann aber sein, dass schleichend Verspannungen in anderen Körperregionen auftreten. Neue Spannungen entstehen. Mehr Spannung entsteht. Die Narbe bzw die Verklebungen ist/sind oft nicht auffällig. Verhält/Verhalten sich ruhig. Aber die Anteile des Körpers, die diese Narbenknoten ausgleichen, und das Mehr an Spannung aushalten müssen, entwickeln oft ein Unwohlsein-Gefühl im Körper bzw. Schmerzen. Nicht immer gleich, oft auch erst Jahre später.

Also:

Knoten ist Spannung. Ist Starre. Ist Bewegungslosigkeit. Ist Einbuße an Flexibilität und Funktionalität.

Das restliche Körpersystem versucht auszugleichen und zu integrieren, um die Mobilität zu erhalten.

Das passiert durch eine Erhöhung von Muskelkraft. Durch einen stärkeren Zug der Faszien. Durch eine Verringerung der Beweglichkeit auf unterschiedlichen Ebenen.

Auf Dauer führt eine Einschränkung der Beweglichkeit zu Verspannungen. Dort wo nicht ausgeglichen kann, wird verklebt und eingeschränkt. Mit dem Resultat, dass die angrenzenden Strukturen übernehmen müssen. Die überlastet werden.

Das heißt, auffällig werden in der Regel die ausgleichenden Elemente des Systems, nicht der Knoten selbst, der durch seine Starre ja ruhig gestellt ist.

Was ich brauche:

Entlastung. Mobilität. Leichtigkeit in den Bewegungen. Weniger dauerhafte Belastung und anhaltende Spannung von Muskeln und Faszien. Austausch. Abwechslung von Spannung und Entspannung. Belastung und Entlastung.

Dynamik.

Dynamischen Austausch.

Zum Beispiel:

Mario Gheorghiu, 45 Jahre im Herbst 2017

„Wegen heftigen Schulter und Nackenschmerzen suchte ich die Osteopathin Michaela Liedler auf. Ich konnte nicht einmal mehr meine rechte Hand heben und wie gewohnt auf meiner rechten Seite schlafen. Interessanterweise schlug Michaela vor, mein, wie sie meinte, „verklebtes Narbengewebe“ vergangener Operationen zu behandeln. In meinem Fall war es eine Gallenblase und ein Blinddarm welche vor über 20 Jahren entfernt wurden. Gerne ließ ich mich auf dieses Experiment ein und tatsächlich berührte sie kein einziges Mal meine Schulter, sondern „massierte“ hauptsächlich meinen Bauchraum bis zu den Rippen. Ich merkte schon bald wie sich meine ganze rechte Körperhälfte immer mehr entspannte und der Druck im Nacken wich.

Das Ergebnis war verblüffend. Wir wiederholten nochmals diese Behandlung und ich war wieder schmerzfrei, wer hätte das gedacht!“